Sandra* hat im Sommer 2020 die Diagnose Brustkrebs erhalten. Heute ist sie tumorfrei und möchte ihre Erfahrungen teilen, um anderen Brustkrebspatientinnen Mut zu machen.

Im Juli 2019 erhielt ich eine Einladung zur Vorsorge durch das Mammographie-Screening-Center. Da ich erst drei Monate zuvor bei meinem Gynäkologen zur Vorsorgeuntersuchung war, bei der auch ein Brustultraschall durchgeführt wurde, der ohne Befund war, bin ich ganz entspannt zur Mammographie gegangen.

Die Diagnose: Brustkrebs

Als ich dann einen Brief vom Screening-Center bekam, mit der Bitte, mich aufgrund eines Befundes, der abgeklärt werden müsse, erneut vorzustellen, war ich dann doch beunruhigt. Nachdem eine Stanzung durchgeführt wurde, bestätigten sich meine Befürchtungen: In der rechten Brust wurde ein bösartiger Tumor diagnostiziert.

Ich war wie gelähmt und kaum dazu in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Chef, selbst Mediziner, begleitete mich bei meinem ersten Besuch in einer onkologischen Praxis. Dort erfuhr ich, dass ich Glück im Unglück hatte: Der Tumor befand sich erst im Anfangsstadium. Ein weiteres Staging (Feststellung des Ausbreitungsgrades) wäre in diesem Stadium nicht erforderlich.

Die Behandlung: Welche ist die Richtige?

Wenige Tage später war ich im Brustzentrum zur Voruntersuchung und Vorbesprechung der OP. Die Ärztin und das Personal waren alle sehr freundlich zu mir. Allerdings bin ich über einen Satz, der von der Ärztin geäußert wurde, „gestolpert“. Sie dachte bei der Untersuchung laut und sagte „Hmmm, der Turmor liegt komisch, da muss ich gucken, wie ich da drankomme“. Irgendwie bekam ich diesen Satz nicht mehr aus meinem Kopf. Deshalb beschloss ich, mir eine zweite Meinung einzuholen und stellte mich in einem weiteren Brustzentrum vor. Zum Glück bekam ich dort binnen drei Tagen einen Termin.

Dem Arzt dort erzählte ich, was seine Kollegin geäußert hätte. Er lächelte und erklärte mir nach der Untersuchung, was damit gemeint war. Der Tumor lag sehr tief. Deshalb musste geschaut werden, wie die plastische Deckung erfolgen konnte. Dabei wird das Brustgewebe nach der Entfernung des Tumors so verschoben, dass die Brust keine Dellen und Löcher aufweist. Sie behält ihre Form. Durch seine gute und für Patienten verständliche Erklärung fühlte ich mich besser informiert und aufgehoben. Noch während des Gespräches entschloss ich mich dazu, mich in dieser Klinik operieren zu lassen.

Die erste Brustkrebs-OP: Ein zweiterTumor

Wenige Tage später wurde ich stationär aufgenommen und durchlief vor der OP ein sog. Staging, bei dem im ganzen Körper nachgesehen wird, ob noch weitere Tumore vorhanden sind. Es wurden eine Lungenaufnahme, ein Ultraschall des Bauchraums, ein MRT und ein Knochenzintigramm durchgeführt. In dieser Klinik wird grundsätzlich immer ein Staging durchgeführt, unabhängig vom Tumorstadium. Wie sich im Nachgang herausstellte, war dies genau richtig, denn die Auswertung der MRT-Bilder ergab, dass ein zweiter Tumor gefunden wurde, der beim Screening nicht zu erkennen war. Da am Folgetag die OP anstand, entschloss man sich dazu, den zweiten Tumor direkt mit zu entfernen.

Ich war froh und glücklich, dass ich die OP gut überstanden hatte. Als drei Tage später der Operateur zu mir sagte, dass der zweite Befund auch bösartig war und dass sich die Tumorkommission dazu entschlossen hatte, die komplette Brust zeitnah zu entfernen, brach für mich die Welt zusammen.

Da ich äußerst niedergeschlagen war, kam der Chefarzt persönlich zu mir und sprach mit mir über meine Ängste. Er berichtete, dass die Anordnung der Tumore – einer war rechts in der Brust, der andere ganz links – als multizentrisch bezeichnet wird. Laienhaft sprach er von zwei Terroristen, die entfernt wurden. Da man nicht wüsste, ob weitere Schläfer vorhanden wären, die irgendwann explodieren könnten, riet man mir dazu, zur Vorsicht das gesamte Brustdrüsengewebe zu entfernen. Dadurch wurde mir bewusst, wie wichtig dieser Eingriff war.

Die zweite Brustkrebs-OP: Drei Handlungsoptionen

Trotzdem weinte ich bitterlich. Der Chefarzt sah, wie verzweifelt ich war. Er schlug vor, dass ich für einige Tage nach Hause gehen sollte, um mir in Ruhe über alles Gedanken zu machen. Er nannte mir drei Handlungsoptionen, um mir die Entscheidung zu erleichtern. Er vertrat die Ansicht, dass ich nicht gesund werde, wenn ich mit meiner Entscheidung nicht glücklich bin:

  1. Option: Die Brust komplett entfernen und nach 6 Monaten neu aufbauen. Keine Bestrahlung erforderlich.
  2. Option: Das Brustgewebe komplett entfernen und ein Implantat in die Fetthülle einlegen. Keine Bestrahlung erforderlich. Es besteht die Gefahr, dass das Implantat abgestoßen wird oder es zu Wundheilungsstörungen kommt.
  3. Option: Die Brust so belassen, Bestrahlungen vornehmen und abwarten was passiert.

Ich ging also zunächst nach Hause und konsultierte gemeinsam mit meinem Partner den behandelnden niedergelassenen Gynäkologen, der lange mit uns Pro und Contra abwägte. Ich tendierte zu Option 2 mit all ihren Risiken.

Des Weiteren hatte mein Chef, der ja Mediziner ist, einen zweiten Beratungstermin bei einer Gynäkologin für mich vereinbart. Das Gespräch mit ihm und der Ärztin bestärkte mich in meiner Entscheidung, Option 2 zu wählen.

So ging ich drei Wochen später erneut ins Brustzentrum zur OP. Psychisch und emotional war ich deutlich stabiler und mit meiner Entscheidung zufrieden.

Endlich tumorfrei

Ich war glücklich darüber, dass ich auch die zweite OP nach einem so kurzem OP-Abstand gut verkraftet habe. Noch mehr freute ich mich, als ich hörte, dass im entfernten Gewebe keine weiteren Tumore mehr gefunden wurden.

Beim ersten Verbandswechsel traute ich mich zunächst gar nicht, das OP-Ergebnis anzusehen. Die junge Stationsärztin bestärkte mich, in den Spiegel zu sehen. Ich war ausgesprochen glücklich über das Ergebnis. Der Operateur hatte medizinisch alles Erforderliche getan und die Brust hervorragend rekonstruiert. Dafür bin ich sehr dankbar. Selbstverständlich hat der medizinische Aspekt oberste Priorität, wenn man dann aber noch eine so gute Rekonstruktion tätigen kann, ist es für die betroffenen Frauen einfach ein Segen.

Aus den Geschehnissen habe ich gelernt, dass das Einholen einer Zweitmeinung vernünftig und ratsam ist. Man muss sich dafür nicht schämen und den Ärzten gegenüber ein „schlechtes Gewissen“ haben. Es geht ja schließlich um das eigene Leben. Was man richtig oder falsch entschieden hat, weiß man allerdings immer erst hinterher.

 

 

*Alle Namen von der Redaktion geändert

Foto: marijana1/Pixabay