„Das hat aber der Professor gesagt.“- Dann muss es ja stimmen. Dass das nicht so ist, zeigt die Erfahrung. Bei zentralen Fragen haben Experten häufig sich widersprechende Ansichten.
Zum Beispiel bei Fragen zum Klima oder während der Coronapandemie fanden sich verschiedene Ansichten, die als gesichertes Wissen „verkauft“ wurden. Wir lernen ein Leben lang, in der Schule, durch das Fernsehen, beim Lesen von Zeitungen, bei Gesprächen mit Freunden und anderen. So entsteht eine Wissens- und Meinungsvielfalt, die auf der einen Seite gut ist, weil verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, andererseits aber auch den Mangel hat, dass unbekannt ist, woher das Wissen kommt und wie sicher die Information ist. Auch schützt uns die Annahme nicht, dass Argumente von Wissenschaftlern und Autoritäten besonders zuverlässig seien.
Laut Bericht der Unesco gibt es weltweit 8,8 Millionen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die jeweils ihre Position mit guten Argumenten vertreten. Das grundsätzliche Missverständnis besteht darin, dass wissenschaftliche Informationen als abgeschlossene Wahrheiten angesehen werden. Tatsächlich ist Wissenschaft aber lebendig, täglich werden neue Erkenntnisse erhoben, die in das bestehende Bilder eingefügt werden müssen. Der Kern der Wissenschaft liegt gerade darin, dass ihre Erkenntnisse weitgehend unabhängig von Menschen und Kulturen sind.
Wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen durch Beobachtungen und Experimente, die manchmal bestehende Annahmen verändern. Was folgt aber daraus: der wissenschaftliche Konsens ist die Position, die eine Mehrheit von Wissenschaftlern in ihrem Fachgebiet vertritt. Es sind also Meinungen, die sich in einer gewissen Zeit in der Fachliteratur, in Diskussionen und Stellungnahmen von Institutionen herausgebildet haben. Auch hier entsteht keine absolute Wahrheit; wissenschaftliche Erkenntnisse halten sich nicht an Mehrheitsentscheide. Beispiele für die Richtigkeit von Außenseitermeinung gibt es viele z.B. die Darwin-Theorie zur Evolution.
Wer dem wissenschaftlichen Konsens vertraut, sollte trotzdem kritisch und aufmerksam bleiben. Die Wirksamkeit von Fakten wird häufig überschätzt, häufig gibt es nur Meinungen. Das zeigt sich schon daran, dass es wissenschaftliche Diskussionen gibt. Für das eigene Handeln gilt, dass es besser ist, Fragen zu stellen und zuzuhören. Dann findet man auch die Person und Meinung, der man vertraut.
mt
Quelle DIE ZEIT 24 10.08.23 Wissen