Christian Kreisel, Physiotherapeut und Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Osteopathie. Foto: Werner Conrad

Die Osteopathie liegt im Trend. Was sich genau hinter dieser alternativmedizinischen Behandlung verbirgt, erläutert Christian Kreisel, Physiotherapeut und Heilpraktiker mit dem Schwerpunkt Osteopathie, im Gespräch mit Werner Conrad (MedQN).

Was ist Osteopathie?

Es gibt dafür keine einheitliche Definition. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Osteopathie zur Komplementär- und Alternativmedizin, unterstützend zur Schulmedizin. Man kann sagen, dass die Osteopathie ganzheitlich arbeitet. Es geht eben nicht nur um die Struktur, die Anatomie, sondern auch um die Funktion, die Physiologie, aber eben auch um das Allgemeinbefinden, Körper und Geist zusammen. Und es ist wichtig, das zu verknüpfen. Die Osteopathie hat den ganzen Menschen im Blick und sucht nicht nur nach Krankheiten, sondern hat eher das Ziel die Gesundheit zu fördern.

Wo kommt die Osteopathie her und wie hat sie sich entwickelt?

Der Gründungsvater ist Dr. Andrew Taylor Still. Am Ende des 19. Jahrhunderts hat er die Osteopathie in den USA gegründet und im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer bekannter gemacht. Dort ist es inzwischen ein Studienfach und es gibt Colleges dafür. Osteopathie ist also in den USA auch anerkannt als Ausbildungsgang, was sie in Deutschland noch nicht ist. Nach Europa, vor allem zunächst nach England, ist die Osteopathie durch einen Schüler von Still gekommen, Dr. John Martin Littlejohn. Während Still vorwiegend die Anatomie betrachtet hat, erweiterte Herr Littlejohn die Sicht und hat versucht zusätzlich die Physiologie, also die Funktion des Körpers zu analysieren und Verknüpfungen zwischen Struktur und Funktion herzustellen. Dann hat Dr. William Garner Sutherland den dritten Bestandteil, die Schädelanatomie, im Prinzip alles was den Kopf betrifft, mit dazu genommen. Er hat Verknüpfungen zum Körper gesucht und gezeigt, welche Bedeutung der Kopf haben kann. Von daher hat man also nicht nur den Körper, sondern auch den Geist im Blick.

Die Osteopathie ringt also hierzulande noch um „offizielle“ Anerkennung?

Letztendlich ist die berufliche Situation hier in Deutschland so, dass die Osteopathie kein anerkannter Beruf ist. Dementsprechend ist es Heilkunde und kann nur von einem Arzt oder Heilpraktiker in Deutschland ausgeübt werden. Mein Grundberuf ist Physiotherapeut. Seit Dezember letzten Jahres bin ich auch Heilpraktiker. Ich habe die Heilpraktiker-Erlaubnis vom Gesundheitsamt in Dortmund erhalten. Die Osteopathie ist eine fünfjährige Weiterbildung. Dabei gibt es gewisse Überschneidungen mit der Physiotherapie, deswegen passt das so gut. Die Verbände haben versucht, die Osteopathie-Fortbildung, diese fünf Jahre, so standardisiert wie möglich zu gestalten. Falls es also in Zukunft zu einer beruflichen Anerkennung kommen sollte, sind die Rahmenbedingungen bereits gegeben.

Wann ist eine osteopathische Behandlung sinnvoll?

Jeder Patient der zu mir kommt, hat ein Hauptproblem und ein Hauptsymptom. Das Hauptsymptom heißt zum Beispiel „Schmerz“. Und das könnte ein Grund sein, warum er zum Arzt oder zum Heilpraktiker geht. Der Heilpraktizierende in der Osteopathie kann dann gerade beim Leitsymptom Schmerz seine Expertise einbringen. Das Wichtigste ist, erstmal eine Diagnose zu stellen. Das ist die Grundlage. Man muss klar abgrenzen, ob es sich um einen Notfall handelt, den ich dann an einen Schulmediziner bzw. Notarzt weiterleite, oder ob es sich um funktionelle Beschwerden handelt, bei denen wir gut weiterhelfen können.

Also kommen die Patienten im Grunde genommen immer mit Schmerzen?

Wichtig für die Osteopathie sind drei Bausteine: der Bewegungsapparat mit Muskeln und Sehnen – man fasst es als das parietale System zusammen -, dann die viszerale Osteopathie – alles was mit Organen zu tun hat -, und die craniale Osteopathie, also alles was rund um den Kopf passiert. Am Bewegungsapparat sind zumeist Schmerzen das Leitsymptom. Aber was die Osteopathie auch ausmacht, sind die Organe, das Viszerum – und in diesem Bereich kann es vielleicht auch Sodbrennen sein. Hier kann die osteopathische Behandlung ebenfalls ansetzen. Es können also verschiedenste Vorgeschichten, wie z.B. Hörstürze, Kiefergelenks- oder auch Magen-Darm-Beschwerden, Probleme am Bewegungsapparat und Vieles mehr einen Einfluss auf den Körper haben. Unsere Aufgabe ist es, einen vollständigen Befund zu erstellen und dabei mögliche Zusammenhänge zu erfassen, um den Patienten entsprechend zu behandeln und damit eine Besserung zu erzielen.

Wie sieht dann so eine Behandlung aus?

Sie fängt mit der Anamnese an. Die Frage ist, warum ist die Patientin, der Patient bei mir. Eine wirklich gute Anamnese ist sehr wichtig, damit ich das Hauptproblem kenne. Ich möchte die ganze Vorgeschichte kennen. Vor allem was es an signifikanten Eingriffen, Verletzungen, Traumata, Medikamenten, Allergien, Hilfsmitteln wie Brillen, Einlagen und vieles mehr gab. Im Prinzip möchte ich alles wissen, vom Kopf bis zum Fuß. Mit diesen Kenntnissen versuche ich eine Verknüpfung zum Hauptproblem herzustellen. Die Behandlung beginnt mit einem ausführlichen Befund. Als nächstes kommt die Inspektion, die für uns besonders wichtig ist, um die Statik zu beurteilen und mögliche Auffälligkeiten zu erkennen.
Mit unseren Händen palpieren, also ertasten wir die Gelenke mit der umliegenden Muskulatur. In Kombination mit wissenschaftlichen Tests möchten wir Erkrankungen bzw. Verletzungen erkennen, aber auch Behandlungserfolge messbar machen. Im Anschluss an den Befund wird eine Arbeitshypothese erstellt. Es folgt eine klare Zielformulierung und dann natürlich die Behandlung. Am Ende wird noch einmal zusammengefasst, wie die Prognose aussieht. Es wird besprochen, wie oft und in welchen Abständen die Behandlung erfolgen sollte. Dabei ist auch der Zeitfaktor wichtig. Im Gegensatz zur Physiotherapie, in der die Behandlungszeit bei circa 20 Minuten liegt, nehmen wir uns in der Osteopathie in etwa 50 bis 60 Minuten Zeit.

Sie stellen also eine Zielformulierung auf. Das heißt, da geht es um die Wirksamkeit der Behandlung. Am besten dürfte natürlich sein, dass der Schmerz verschwindet…

Das ist natürlich unser Ziel. Allerdings muss man dabei auch zwischen chronischen und akuten Symptomen unterscheiden. Einen Sportler mit einem Muskelfaserriss können wir bei einer verbesserten Wundheilung unterstützen, bei einer plötzlich auftretenden Bewegungseinschränkung können wir bei einem Patienten oftmals eine direkte Verbesserung der Beweglichkeit erzielen, aber bei chronischen Erkrankungen kann auch das Ziel sein, langfristig zu begleiten und Symptome abzuschwächen.

Welche „Instrumente“ setzen Sie bei der Behandlung ein?

Bei der Behandlung besteht das Ziel darin, die Bewegungseinschränkung im Gewebe ausschließlich mit den Händen zu ertasten und dann zu behandeln, um die Selbstheilung des Körpers in Gang zu setzen.

Mit welchen Beschwerden kommen die meisten Patienten zu Ihnen?

Am häufigsten handelt es sich um Beschwerden an der Wirbelsäule und den Extremitäten – Schulter, Hüfte, Knie. Außerdem kommen viele Patienten mit Problemen im Bereich des Kopfes, wie z.B. dem Kiefergelenk oder den Augen, aber auch mit Bauchbeschwerden.

Kann Osteopathie schaden?

Wenn man gewissenhaft arbeitet, nein. Es steht und fällt mit der Sorgfaltspflicht des Therapeuten und mit einer ausführlichen Anamnese. Das ist ein grundlegender Bestandteil unserer Ausbildung in einem medizinischen Beruf. Das Wichtigste ist es, klar abzugrenzen, ob es sich um einen Notfall handelt oder um einen Patienten, dem ich mit meiner Behandlung weiterhelfen kann.

Osteopathie hat sich zu einer richtigen Trendbehandlung entwickelt – woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich glaube, der Trend ist da, weil alle viel gesundheitsbewusster und offener gegenüber alternativen Behandlungskonzepten geworden sind. Man spricht in der Familie, mit Freunden und Bekannten und stellt fest, bei uns ist Ernährung doch mal ein Thema, oder Bewegung, und ich war auch mal beim Osteopathen, der hat mir ein paar tolle Tipps gegeben. Im Prinzip geht es vielleicht darum, mehr Lebensqualität zu erreichen. Dabei geht es nicht immer nur um „Heilung“, sondern um eine präventive Begleitung, um wieder gesünder zu sein.

Mit welchen Kosten muss man rechnen, wenn man zu Ihnen kommt?

Die Kosten für eine Behandlung kann man nicht verallgemeinern. Es hängt sowohl vom Schwerpunkt innerhalb der Behandlung als auch von der Behandlungszeit ab, wie viel der jeweilige Therapeut berechnet. In unserer Praxis dauert die Behandlung in etwa 50 bis 60 Minuten und die Kosten liegen je nach Diagnose und Behandlungsaufwand zwischen 80 und 110 Euro. Dabei wird über die Heilpraktiker-Gebührenordnung abrechnet. Jeder kommt mit verschiedenen Problemen, also muss ich auch individuell abrechnen.
Osteopathie ist eine Privatleistung. Die Krankenkassen übernehmen ganz unterschiedliche Anteile, sowohl gesetzliche wie auch private Krankenkassen. Wir sagen deshalb allen Patienten, dass sie sich bitte vorab darüber informieren sollen, was erstattet wird und welche Eigenanteile möglicherweise auf sie zukommen werden.

Brauche ich eine Überweisung für die Osteopathie-Behandlung?

Auch hier gilt: Besser vorher fragen, denn manche Kassen erwarten für die Erstattung ein Privatrezept vom Arzt, andere nicht.

Was raten Sie grundsätzlich jemanden, der sich überlegt, zur osteopathischen Behandlung zu gehen?

Ich halte es für wichtig, dass sich Patienten vorab informieren – vor allem, in welchem Umfang der Therapeut die Fortbildung in der Osteopathie absolviert hat. Dabei gelten die Voraussetzungen, Heilpraktiker oder Arzt zu sein und zusätzlich über 5 Jahre (1350 Stunden) eine Osteopathie-Weiterbildung mit Zertifikat abgeschlossen zu haben. Dabei ist auch die entsprechende Berufserfahrung von Bedeutung.


Christian Kreisel (31). Physiotherapeut | Heilpraktiker.
Beruflicher Lebenslauf: 2010 – 2013 Ausbildung zum Physiotherapeuten am Uniklinikum Düsseldorf, 2013-2015 Visalis Therapiezentrum Wesel, 2015-2018 Rehazentrum Wirbelwind Bochum, 2018-2021 Folkmann und Schulz, Essen, 01.10.2020 -30.06.2021 Teilselbstständigkeit in eigener Privatpraxis für Physiotherapie, seit dem 01.07.2021 Selbstständigkeit Praxis für Physiotherapie und Osteopathie Peuker u. Kreisel, Bochum.
01.09.2016 – 10.06.2021 Fortbildung Osteopathie am IFAOP (Institut für angewandte Osteopathie) – 5 Jahre mit 1350 Unterrichtseinheiten nach der BAO, Bundesarbeitsgemeinschaft für Osteopathie)
01.03.2019 – 07.12.2020 Heilpraktiker Ausbildung Heilpraktikererlaubnis Gesundheitsamt Dortmund

Zahlreiche weitere Fortbildungen

Peuker & Kreisel
Praxis für Physiotherapie und Osteopathie
44787 Bochum

0234 587 499 00

info@peuker-kreisel.de

www.peuker-kreisel.de


Das Interview ist erschienen im Messesonderheft BOGESUND 3/2021