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Fettfrei leben können wir nicht. Fette treten in Verbindung mit fettlöslichen Vitaminen, Carotinoiden und Phytosterolen auf und können lebensnotwendige Fettsäuren liefern. Fett schützt vor Wärmeverlust, bietet eine langfristige Energiereserve, dient als Schutzpolster verschiedener Organe und übt strukturelle Funktionen in allen Körperzellen aus. Zudem erhöhen Fette den Sättigungseffekt und verbessern den Geschmack von Speisen.

Fett ist aber nicht gleich Fett. Abhängig von der Fettqualität, also der Art der zugeführten Fettsäuren und deren Verhältnis zueinander, zeigen immer mehr Studien positive Auswirkungen einer angemessen dosierten Fettzufuhr. Dabei stehen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren und hier speziell die Omega-3-Fettsäuren (n-3-FS) im Mittelpunkt.

In der heutigen Ernährung ist ein Ungleichgewicht zwischen der Art der Fettsäurezufuhr aufgetreten. Es werden zu viele gesättigte sowie trans-Fettsäuren und zu wenig einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren zugeführt. Bei Letzteren ist die Zufuhr der Omega-6-Fettsäuren (n-6-FS) im Vergleich zu den n-3-FS zu hoch. Die Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt ein optimales Verhältnis von n-6- zu n-3-FS von 5:1. Dieses wird bei der heutigen Esskultur deutlich überschritten.

Die n-6-FS Linolsäure (LA) ist lebensnotwendig. Laut DGE liegt der geschätzte Bedarf bei 2,5% der Gesamtenergiezufuhr. LA ist zwar auch in fettem Fleisch und Wurstwaren enthalten, aber vorwiegend kommt sie in Nüssen, Kernen, Samen und daraus hergestellten Ölen wie Distel-, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Sojaöl sowie Margarinen vor. Diese finden Einsatz in vielen industriell verarbeiteten Nahrungsmitten, wodurch die Zufuhr die Empfehlung bei weitem übersteigt. Aus diesem Grunde sollte im häuslichen Gebrauch auf diese Öle verzichtet werden.

LA kann indirekt entzündungsfördernde Eigenschaften entwickeln, da sie Vorstufe der, nur unmittelbar über tierische Lebensmittel zugeführten, Arachidonsäure (AA) ist. Aus dieser können hormonähnliche Substanzen entstehen, die Entzündungen fördern und dadurch Schmerzen verursachen können.

Vorkommen und endogene Umwandlung

Bei den n-3-FS unterscheidet man die essentielle kurzkettige Alpha-Linolensäure (ALA) und die längerkettigen, biologisch aktiveren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

ALA findet sich vor allem in Lein-, Raps-, Hanf- sowie Walnussöl und natürlich auch den Ursprungsprodukten Leinsamen und Walnüssen. Auch Perilla- und Echiumöl enthalten hohe Anteile.

Laut Literaturangaben kann aus ALA zu ca. 5 bis 10% EPA in unserem Körper gebildet werden. Die weitere Umwandlung zu DHA soll nur ca. 0,5% betragen. Hierfür verantwortlich sind bstimmte Enzyme (Desaturasen, Elongasen), deren Aktivität durch genetische Veranlagung und die Versorgung mit Cofaktoren wie Magnesium, Zink und Vitamin B6 bestimmt wird. In einer Pilotstudie konnte durch begleitende Zufuhr von Spurenelementen und Vitaminen eine Aktivitätssteigerung dieser Enzyme und somit Erhöhung der ALA-Umwandlungsrate mit Anstieg der Serumwerte von EPA und DHA erzielt werden.

Allerdings gilt ein hoher LA-Anteil in der Nahrung als limitierender Faktor, da LA mit ALA um die gleichen Enzyme bei der Verstoffwechselung konkurriert.

EPA und DHA kommen vor allem in fettem Seefisch wie Makrele, Hering, Sardine, Lachs und Thunfisch sowie Mikroalgen vor. Auch Fischkonserven enthalten noch nennenswerte Anteile.

Die Konzentrationen der n-3-FS in anderen Lebensmitteln schwanken abhängig vom Futter. So führte z. B. die Verfütterung von Lein- und Rapssaatpresskuchen an Kühe zu einer erheblichen Steigerung dieser ungesättigten Fettsäuren in Milch und auch die mit Weidegras gefütterten Kühe wiesen in ihrer Milch ein günstigeres n-6/n-3 Verhältnis auf.

Zudem sind in Europa auch Lebensmittel, die mit n-3-FS aus marinen Mikroalgen angereichert wurden wie Eier, Brot und Backwaren, Müsliriegel, Streichfette, Salatsoßen, Frühstückscerealien, Milch- und Milchersatzerzeugnisse (ausgenommen Getränke) mit produktgruppenspezifischen Höchstmengen zugelassen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlug dabei zur Vermeidung von negativen Effekten eine maximale Gesamtaufnahme von 1,5 g/Tag aus allen Quellen vor. Dies ist allerdings im Alltag nur schwer zu kontrollieren.

Für Vegetarier und Veganer sind die ALA-reichen Öle von besonderem Interesse. Ergebnisse der EPIC-Studie deuten darauf hin, dass sich bei geringer EPA- und DHA-Zufuhr (mangelnder Fischverzehr) die Umwandlungsrate aus ALA erhöht. Andere Untersuchungen zeigten allerdings bei diesen Personen oft einen verringerten DHA-Anteil im Blut. Dieser konnte erhöht werden, wenn die Zufuhr von LA über die Nahrung geringer war. Dennoch scheinen Fischöle im Vergleich zu Leinöl den Fettsäure-Status effektiver zu beeinflussen.

Bedarf

Weil der genaue Bedarf an n-3-FS nicht bekannt ist, können nur Schätzwerte zur wünschenswerten Zufuhr und keine konkreten Empfehlungen ausgesprochen werden. Laut D-A-CH-Referenzwerten der DGE liegt der Schätzwert gesunder Erwachsener für ALA bei 0,5% der Gesamtenergiezufuhr. Bezogen auf eine tägliche Energiezufuhr von 2200 kcal entspricht dies ca. 1,2 g ALA pro Tag. 1 Esslöffel Rapsöl bzw. 1 Teelöffel Leinöl liefern schon ca. 1,5 g ALA. Weiterhin empfiehlt die DGE täglich 250 mg EPA und DHA aufzunehmen, was durch zwei fette Seefischmahlzeiten pro Woche erreicht werden kann. Daher benötigen gesunde Personen keine Nahrungsergänzung mit n-3-FS. Für die normale Entwicklung der Gehirn- und Sehleistung des Kindes sollten Schwangere und Stillende zusätzlich mind. 200 mg DHA/Tag zuführen. Schwangere und Stillende beziehungsweise deren Föten und Neugeborene gelten als besondere Risikogruppe gegenüber toxischen Wirkungen von Quecksilber. Daher sollten sie nach Empfehlung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) den Verzehr der potenziell höher mit Quecksilber belasteten Fische (und Erzeugnisse daraus) wie Haifisch (im Handel auch als „Schillerlocken“ erhältlich), Buttermakrele, Aal, Steinbeißer, Schwertfisch, Weißer und Schwarzer Heilbutt, Hecht, Seeteufel, Thunfisch sowie Rotbarsch vermeiden.

Nahrungsergänzung, Höchstmengen und Risiken

Das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) mit n-3-FS meist in Form von Algenpräparaten oder Fischölkapseln ist kaum überschaubar. Hinsichtlich der Qualität und Dosierung können starke Schwankungen auftreten. Maßgeblich ist nicht der angegebene Gesamtölgehalt, sondern der Anteil an ALA, EPA bzw. DHA. Mikroalgenöle aus Schizochytrium sp. und Ulkenia enthalten ca. 35% DHA, aber kaum EPA, während Krillöl etwa gleiche Mengen EPA und DHA liefert. Fischölprodukte enthalten meist 60-70% EPA und 30-40% DHA. Zusätzlich sollten die Präparate ausreichende Mengen an Vitamin E als Oxidationsschutz enthalten.

Laut BfR ist bei einer Zufuhr von bis zu 3 g an EPA und DHA nicht mit Nebenwirkungen zu rechnen. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält sogar eine zusätzliche Aufnahme von EPA und DHA in Kombination von bis zu 5 g/Tag oder 1,8 d EPA einzeln pro Tag als unbedenklich.

Zu hoch dosierte n-3-FS Produkte bergen aber auch gesundheitliche Risiken. So können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, verlängerte Blutungszeit und erschwerte Blutzuckereinstellung bei Diabetes auftreten. Auch Wechselwirkungen mit Medikamenten sind nicht auszuschließen. Daher sollte vor dem Einsatz von NEM fachkundiges Personal oder der Arzt zu Rate gezogen werden.

Wirkungen

Durch die Bildung von bestimmten Gewebshormonen (Eicosanoiden) nehmen n-3-FS positiven Einfluss auf Entzündungsreaktionen und die Immunregulation. Dies macht sie für Erkrankungen interessant, denen eine chronische subakute Entzündung zugrunde liegt. Ein Großteil heutiger Zivilisationskrankheiten wie rheumatoide Arthritis, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Asthma, COPD, Allergien, Adipositas, Typ-2-Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall und Arteriosklerose werden durch sogenannte stille Entzündungen begünstigt.

Wie anfangs erwähnt fördert ein Überangebot an LA die Synthese von AA und reduziert die ausreichende Bildung von EPA. Das Verhältnis von AA/EPA spielt aber eine wichtige Rolle bei chronisch entzündlichen Erkrankungen mit autoimmuner Komponente. Studien mit Fischöl konnten nicht nur einen Abfall von AA in neutrophilen Zellen zeigen, sondern auch eine Absenkung von Botenstoffen der Entzündungsreaktionen wie TNF-? und IL1-?. Ähnliche Effekte zeigte auch die Gabe von Leinöl. Aus n-3-FS werden, als Gegenspieler der AA, regulatorisch wirksame Lipidmediatoren wie Eicosanoide, Lipoxine, Resolvine, Protektine und Maresine gebildet, die Prozesse wie Blutgerinnung, Blutdruckregulation, Immunantwort positiv beeinflussen und essentiell für die Auflösung von Entzündungsgeschehen im Anschluss an die Immunreaktion sind. Eine zeitlich begrenzte Entzündung ist eine überlebenswichtige Funktion des Körpers, allerdings muss sie auch wieder erfolgreich beendet und somit eine überschießende Reaktion verhindert werden. In einer Untersuchung bei rheumatoider Arthritis (RA) mit durchschnittlich 3,5 g Fischöl/Tag beschrieben die Teilnehmer eine Reduktion geschwollener Gelenke, Schmerzabnahme, verminderte Morgensteifigkeit, verbesserte Griffstärke sowie Beweglichkeit und Reduktion der Einnahme von Antirheumatika. In anderen Studien wurden Wechselwirkungen von n-3-FS mit Medikamenten untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Aktivität von Aspirin, Naproxen, Diclofenac und Indometacin verstärkt werden konnte. Dies wirkt sich positiv auf die Entzündungshemmung und Schmerzwahrnehmung aus.

In den Leitlinien heißt es, dass Omega-3-Fettsäuren die Symptome der RA lindern können. Allerdings sei eine Aussage über die Wirksamkeit spezieller Diäten nicht möglich.

In einer Studie konnte Kjeldsen-Kragh hingegen schon früh zeigen, dass durch Fasten mit einer veganen Übergangphase hin zu einer langfristigen vegetarischen Ernährung eine Besserung klinischer Befunde bei RA erzielt werden konnte. Gemäß Prof. Olaf Adam kann eine Intervention also durchaus von Vorteil sein, wobei alle diätetischen antientzündlichen Maßnahmen (A.D.A.M.) einbezogen werden. Durch eine vollwertige, vorwiegend vegetarisch ausgerichtete Ernährung, wie sie auch in der Klinik für Naturheilkunde der Klinik Blankenstein vertreten wird, kann die AA-Zufuhr deutlich gesenkt werden. Nachteilige Wirkungen von AA sind bei einer täglichen Zufuhr von 50 mg nicht zu erwarten. Nach 2 Monaten ist mit einer Abnahme der AA in den Phospholipiden zu rechnen. Zudem wird durch den Einsatz ALA-reicher Öle die Zufuhr von LA minimiert. Als Biomarker für die Entzündungsbereitschaft gilt der AA/EPA-Quotient. Liegt dieser < 4 ergibt sich bei rheumatoider Arthritis ein besserer klinischer Verlauf. Adam empfiehlt eine Zufuhr von 300 mg EPA/Tag, welche mit 2 fettreichen Fischmahlzeiten pro Woche erreicht werden kann. Initial empfiehlt er zur Anreicherung von EPA in den Zellwänden für 3 Monate hochwertige NEM mit ca. 900 mg EPA/Tag einzusetzen.

Obwohl sich der Einsatz von n-3-FS bei RA bewährt hat, sieht das bei anderen Schmerzerkrankungen anders aus. So ergaben zwar Studien Hinweise auf einen Einfluss in der Pathophysiologie von Migräne durch Reduktion von n-6-FS und hohem Gehalt von n-3-FS, was sich durch einen leichten Rückgang der Kopfschmerzhäufigkeit sowie Schwere der Attacken bemerkbar machte. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Untersuchungen zu gering, so dass keine generellen diätetischen Behandlungsempfehlungen ausgesprochen werden können.

Ähnlich verhält es sich auch bei der Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. In der Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ wird die Wirksamkeit trotz einiger positiver klinischer Erfahrungen (symptomatische Besserung, Akutphasenverkürzung, Remissionserhaltung, Einsparung von Medikamenten) nicht als ausreichend erachtet, um Empfehlungen zur n-3-FS Zufuhr auszusprechen. Vergleichbares gilt für Colitis ulcerosa.

Durch ihre LDL-Cholesterin und Blutfett (Triglycerid) senkende, gefäßerweiternde (blutdruckregulative) sowie gerinnungshemmende Wirkung werden n-3-FS als günstige Faktoren zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen eingestuft. Bei der Behandlung bereits bestehender Herz-Kreislauferkrankungen sind sich die Fachgesellschaften allerdings nicht einig,

da auch hier die Studienergebnisse oftmals sehr unterschiedlich ausfallen.

Aus diesem Grunde hat z. B. die DGE in ihrer Leitlinie „Fettzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsabhängiger Krankheiten“ den Zusammenhang (Evidenz), dass langkettige n-3-FS das Risiko für Hypertonie und koronare Herzkrankheit senken von „überzeugend“ auf „wahrscheinlich“ zurückgestuft. Zudem können sie wahrscheinlich nicht, wie vorher angenommen, das Risiko von ischämischen Schlaganfällen senken.

In der Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien“ heißt es nur, dass der Konsum vor allem von fettem Fisch gefördert werden sollte. Zudem kann die Verordnung von n-3-FS erwogen werden, wenn die Triglyceride sich mit Statinen oder Fibraten allein nicht beherrschen lassen, da die Kombination als sicher und gut verträglich gilt.

In den aktuellen Leitlinien zur Herzinsuffizienztherapie werden EPA und DHA empfohlen, allerdings ohne Dosierungsempfehlung.

Verwirrende Forschungsergebnisse

Die Studienergebnisse zu n-3-FS reichen von „effektiv“ bis „nutzlos“. Aber wie lassen sich diese großen Unterschiede erklären? Im Ernährungsbereich liegen generell nur wenige kontrollierte randomisierte Interventionsstudien vor. Die Durchführung ist problematisch, da die Intervention über einen langen Zeitraum meist ethisch nicht zu vertreten ist. Zudem kann man einen Nahrungsinhaltsstoff oft nicht komplett isoliert zuführen. So sind einzelne Wirkungen der n-3-FS auf molekularer Ebene gut beschrieben, aber die Bestimmung der Wechselbeziehungen zwischen Nahrungsbestandteilen und einem Krankheitsrisiko sind sehr komplex und in vielen Fällen nicht alleine einem Faktor zuzuschreiben. Neben der Ernährung beeinflussen auch genetische Disposition und Bewegung multifaktoriell die Entstehung bzw. Verhütung von Erkrankungen.

Des Weiteren weisen viele Studien z. T. methodische Probleme (qualitatives Design, Durchführung) auf. So spielt es bei den untersuchten Kollektiven eine Rolle, wie groß die Gruppe war, ob sie gesund oder krank waren und wie hoch der Schweregrad der Erkrankung war. Zudem führt der Einfluss einer besseren medikamentösen Basistherapie in neueren Studien und damit vermutlich geringeren additiven n-3-Wirkung zu anderen Ergebnissen. Auch die Quelle der eingesetzten n-3-FS (Fischöl, Leinöl, angereicherte Margarine, aufbereitete EPA und DHA) und verwendeten Kontrollöle sowie die Interventionsdauer (Länge der Einnahme) spielen eine Rolle. Maßgeblich ist auch die Höhe der Dosierung. Dies soll anhand eines n-3-FS haltigen Medikaments verdeutlicht werden. 2019 gab die europäische Arzneimittel-Behörde (EMA) bekannt, dass aufgrund neuerer Studien n-3-FS-haltige Arzneimittel auf Ethylesterbasis mit 1000 mg nicht mehr zur Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt, sondern nur noch zur Behandlung erhöhter Blutfette, zugelassen sind. Zwei Jahre später erteilte die EMA allerdings einem ähnlichen Medikament diese Zulassung. Es darf als Zusatztherapie bei Statin behandelten Patienten mit hohen Triglyceridwerten oder Diabetes eingesetzt werden, da es sich zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse z. B. Herzinfarkt als wirksam erwiesen hat. Der Wirkstoff ist ebenfalls Icosapent-Ethyl (chemisch modifizierte EPA), aber das neue Medikament enthält keinen DHA-Anteil und wird hochkonzentriert (Tagesdosis 3992 mg) verabreicht. Allerdings birgt eine hohe Dosis auch Risiken. So werden Nebenwirkungen wie Blutungen, periphere Ödeme und Vorhofflimmern beschrieben. Eine ärztliche Kontrolle ist also erforderlich, insbesondere da die gerinnungshemmende Wirkung von Acetylsalylsäure (ASS) durch n-3-FS verstärkt werden kann. Hierbei sei angemerkt, dass handelsübliche n-3-FS-NEM mit Medikamenten nicht vergleichbar sind und weder Herzinfarkt noch Schlaganfall vorbeugen.

Einnahme ist allerdings nicht gleich Aufnahme. Die Bioverfügbarkeit spielt eine entscheidende Rolle bei den Studienergebnissen. Bei n-3-FS wird diese nämlich durch eine fettreiche Mahlzeit erhöht. Wird das Studienpräparat zum Frühstück eingenommen, welches in vielen Ländern eher fettarm ist, wird die Resorptionsfähigkeit minimiert. Dies würde ein neutrales Ergebnis begünstigen. Ferner ist die Bioverfügbarkeit auch stark von der Bindungsform abhängig. So werden EPA und DHA, die an natürliche Phospholipide bzw. Triglyceride gebunden sind besser aufgenommen als übliche synthetisch hergestellte Ethylester. Weiterhin kompliziert die große interindividuelle Variabilität der Aufnahme von n-3-FS aus der gleichen Quelle, die von Person zu Person sehr unterschiedlich sein kann, dieses Thema.

Zudem ist die Erfassung von Ernährungsdaten mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. In vielen Studien liegen oftmals Ernährungsfragebögen zur Auswertung der Aufnahmemenge von n-3-FS vor. Die Zusammensetzung der Kost bzw. des Fettes ist allerdings oft schlecht abschätzbar. Positive Ergebnisse einer n-3-FS-Substitution zeigen sich oft bei Studien, deren Ergebnisse auf Blutmessungen und nicht durch Berechnungen der Zufuhr aufgrund von Ernährungsprotokollen bestehen.

Die Bestimmung des Fettsäuremusters in den Plasmalipiden spiegelt nur die tagesaktuelle Zufuhr einzelner FS wider, die von der Gesamtversorgungslage deutlich abweichen kann. Der Fettsäurestatus in den Erythrozyten hingegen erlaubt, durch ihre Lebensspanne von ca. 120 Tagen, eine Beurteilung der langfristigen Versorgungssituation und ist somit besser geeignet. Somit kommt es nicht zu einer Beeinflussung durch die letzte Mahlzeit vor der Blutentnahme, ähnlich wie beim Blutzuckergehalt und dem HbA1c-Wert. Allerdings ist bei bereits hohen Ausgangsspiegeln mit keinem oder nur einem geringen Effekt einer zusätzlichen n-3-FS-Intervention zu rechnen. Heißt im Klartext, wenn der Körper schon ausreichend versorgt ist, was sollte sich da noch verbessern?

Der HS-Omega-3 Index® hat sich als Biomarker für den EPA und DHA-Status einer Person bewährt, da EPA und DHA in den Erythrozyten mit dem Gehalt in allen bisher untersuchten Zellen korreliert. Der Omega-3 Index wurde von Harris & von Schacky erfunden und ist definiert als der Erythrozyten-Gehalt von EPA und DHA bezogen auf den insgesamt gemessenen FS-Gehalt. So gilt dieser Index z. B. als kardiovaskulärer Risikomarker, der in seiner Aussagekraft konventionellen Risikofaktoren wie Cholesterin überlegen ist. Sinnvoll erscheint hierbei eine individuell dosierte Zufuhr von EPA und DHA mit fischreicher Kost und/oder Supplementen mit dem Ziel einen sicheren und gut verträglichen Omega-3-Index von 8-11% zu erreichen.

Fazit:

Insbesondere fettreicher Kaltwasserfisch gilt trotz möglicher Toxinbelastung als gesund und die enthaltenen n-3-FS können einen wichtigen Beitrag leisten zur Vermeidung von stillen sowie chronischen Entzündungen und daraus resultierenden Schmerzen. Aus diesem Grunde empfehlen sich 1-2 fettreiche Fischmahlzeiten in der Woche. Diesbezüglich ist die Wirksamkeit umso besser, je geringer der Verzehr an LA und Zufuhr von AA ist. Daher sollte die Ernährung vorrangig vegetarisch ausgerichtet sein und mit geringen täglichen Mengen fettarmer Milchprodukte und ggf. 2 Eiern pro Woche ergänzt werden. Zudem sollte auf Lein-, Raps- und Olivenöl zurückgegriffen werden. Auch bietet sich ab und zu z. B. ein Makrelenfilet aus der Dose als Brotbelag an, um Wurst und Käse einzusparen.

Die Studienlage zu n-3-FS ist allerdings nicht eindeutig und abhängig vom Studiendesign ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse. Positive Effekte der n-3-FS Zufuhr zeigen sich oftmals bei hohen Dosierungen, guter Bioverfügbarkeit oder niedrigen Ausgangswerten, d.h. also einer schlechten Versorgungslage. Aufschluss über den individuell nötigen Bedarf des Einzelnen können Fettsäureanalysen geben. Je nach Ergebnis könnten dann individualisierte Ernährungsempfehlungen zur Optimierung des Omega-3-Index ausgesprochen werden, um effektiver in Entzündungsgeschehen und die Schmerzsymptomatik einzugreifen.

Tanja Pötschke, Oecothrophologin
Prof. Dr. med. André-Michael Beer
Direktor der Klinik für Naturheilkunde, Klinik Blankenstein, Hattingen,
Lehrbereich Naturheilkunde, Ruhr-Universität Bochum
Im Vogelsang 5-11
45527 Hattingen

E-Mail: tanja.poetschke@klinikum-bochum.de