Nach ausgeprägter Belastung oder Erkrankung müde zu sein kennt jeder. Manche Menschen sind aber ohne einen äußeren Anlass dauerhaft müde und erschöpft. Auch Schlaf und erholsame Ruhe helfen nicht. Wird das zu einem Dauerzustand, bekommt es einen Krankheitswert. Die Erkrankung ist bekannt und wird im Englischen „chronic fatigue syndrom (CFS) genannt. Manchmal wird auch die Bezeichnung „Myalgische Enzephalomyelitis“ (ME) benutzt. Die Betroffen haben einen hohen Leidensdruck, werden oft nicht ernstgenommen und haben meist eine Facharztodyssee erfolglos hinter sich. Viele Betroffene können ihre alltäglichen Aufgaben nicht mehr erfüllen oder ihre Sozialkontakte aufrechterhalten. Hinzu kommen familiäre und partnerschaftliche Probleme. Auch weitere körperliche Beschwerden können hinzukommen, wie grippeähnliche Symptome, Schlafstörungen, Muskelverspannungen, Glieder- und Gelenkschmerzen, Magen-Darmbeschwerden, Herz-Kreislaufprobleme, Kurzatmigkeit und Verlust der Libido. Psychische Störungen, wie Angst- und Panikattacken, Stimmungsschwankungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und geringe Belastbarkeit kommen oft hinzu.

Die Erkrankung ist schwer zu diagnostizieren und wird meist nach Ausschluss anderer Erkrankungen, wie Tumorerkrankungen, Multiple Sklerose, chronische Infekte, Diabetes mellitus, nächtliche Atemaussetzer und Depression festgestellt. In Deutschland sind geschätzt ca. 300.000 Menschen betroffen, meist jüngere, häufig Frauen. Bei vielen beginnt die Leidensgeschichte nach einer Infektion. Es gibt viele Hinweise dafür, dass das Immunsystem fehlgesteuert und überaktiv ist, häufig ausgelöst durch eine Virusinfektion. Das gilt in erster Linie für die akut auftretende Symptomatik (primäres CFS), während die schleichende Variante (sekundäres CFS) häufig psychogene Ursachen hat. Für die akute Variante ergeben sich Parallelen zum Long-Covid-Syndrom. Für diese akute Variante spielt das Immunsystem die Schlüsselrolle.

Durch Wissenschaftler konnte nachgewiesen werden, dass auch 6 Monate nach Infektion die Aktivität der T-Zellen erhöht war, Interleukin-2-Rezeptoren vermehrt exprimiert wurden und die Zytokinsekretion verstärkt war. Auch hier finden sich deutliche Parallelen zum Long-Covid-Syndrom. Die Behandlung des CFS ist schwierig und meist symptomorientiert. Körperliches Training verschlechtert die Situation. Entspannungstechniken, bewusstes Ernährungsverhalten und psychologische Unterstützung sind hilfreich. Meist tritt eine Verminderung der Beschwerdesymptomatik im Verlauf auf, manchmal erst nach 6-12 Monaten.