Angiologie

Als Folge der Kooperation mit den Fachärzten wurden die aufgeführten Standards für Angiologie in Analogie zu den Zielsetzungen der Standards im kardiologischen Bereich erarbeitet.
Die weitere Vervollständigung dieser Standards ist geplant. Die Standards sind auch in den Netzpraxen erhältlich.

PAVK

 Definition – Epidemiologie
  • nach Die pAVK (periphere arterielle Verschlußkrankheit) umfaßt verengende oder verschließende Veränderungen der Aorta und der die Extremitäten versorgenden Arterien. Sie sind zu 85-95 % arteriosklerotisch bedingt. Die restlichen 5-15% entstehen durch entzündliche Gefäßerkrankungen und thrombembolische Gefäßverschlüsse. Gefäßveränderungen an den oberen Extremitäten sind extrem selten.Die Praevalenz arterieller Durchblutungsstörungen liegt bei ca. 1 – 2 % der Gesamtbevölkerung. Männer sind fünfmal häufiger betroffen als Frauen. Mit höherem Lebensalter ist ein überproportionaler Anstieg zu verzeichnen.
Leitsymptom der pAVK
  • klassische Claudicatio intermittens:
reproduzierbarer, i.d.R. gehstreckenabhängiger Muskelschmerz, vor allem in der Wade oder seltener in einer Gesäßhälfte.
  • eher unspez Claudicatio intermittens:
reproduzierbare Kraftlosigkeit in beiden Beinen z.B. beim Fahrradfahren.
Stadieneinteilung der AVK nach Fontaine
  • Stadium I
asymptomatischer Verschluß
  • Stadium II(kompliziertes Stad. II durch exogene Faktoren: Verletzung durch Nagelpflege, Druckstellen).
Claudicatio intermittens:IIa schmerzfreie Gehstrecke > 200 mIIb schmerzfreie Gehstrecke < 200 m
  • Stadium III
Ruheschmerz
  • Stadium IV
Gangrän, Gewebedefekt infolge pAVK

(Die Stadien III u. IV n. Fontaine werden auch als “kritische Extremitätenischämie” bezeichnet)

Diagnostik
Wann sollte eine Diagnostik erfolgen?
  • bei Auftreten des Leitsymptoms.
  • bei Vorhandensein anderer evtl. symptomatischer Manifestationen einer Arteriosklerose (z.B. Koronarsklerose, Carotisstenose).
  • bei Ruheschmerz im Unterschenkel und trophischen Hautveränderungen.
  • bei Vorhandensein angiologischer Risikofaktoren (RF) als Screening unter Berücksichtigung der Dauer des Vorhandenseins der RF und des Lebensalters der Patienten.

Risikofaktoren:

art. Hypertonie, Hyperlipämie, Diabetes mellitus, Nikotinabusus, Hyperfibrinogenämie, Lebensalter, familiäre Belastung

Wie sollte eine Diagnostik erfolgen?
  • Anamnese:
Beschwerdebeschreibung; Risikofaktoren, ect.
  • Körperlicher Befund:
Tasten aller peripheren Pulse:Aa. carotis communes.Aa. radiales, Aa. fem. communes. i.d. Leisten;Aa. popliteae,

Aa. dors. ped. und Aa. tib. posteriores.

Cave: Tastbare Fußpulse schließen eine pAVK nicht aus!

Auskultation: 

Halsseiten, Abdomen, Leisten.

(pathol. Strömungs-/Stenosegeräusche)

Bestimmung der schmerzfreien Gehstrecke:

subjektiv: Gehprobe (definierte Wegstrecke; z.B. von Arzt-Praxis zum Bäcker)

objektiv: Gehstreckenmessung mit dem Laufband.

  • einfacher apparativer Befund:
Taschendoppler (pulssynchrone Strömungsgeräusche; Messung der peripheren arteriellen Verschlußdrucke und diese ins Verhältnis zum Referenzdruck (System-RR) setzen. Dabei gilt:Arm-Beindifferenz > +10 mmHg spricht sicher für eine pAVK !
  • apparativ (nicht invasiv):
(bidirektionaler) US-Doppler: Typische Ableitestellen sind: Aa. fem. in den Leisten, die Aa. popliteae und die Aa. dors. ped. und tib. post. Konfiguration der Strömungskurven (Stenose- bzw. Verschlußkurve).Farbcodierte Duplex-Sonographie:Strömungsmessung, bildhafte Darstellung der Gefäßmorphologie (Verkalkungen, kalkige Stenosen, Verschlüsse, Aneurysmata).

Arterielle Verschluß-Plethysmographie:

Messung der Hyperämie-Reaktion.

  • apparativ (invasiv – Röntgen):
arterielle bzw. venöse DSA

Die Doppler- und Duplexsonographie sowie die Arterielle Verschluß-Plethysmographie als nicht invasive Techniken bieten den Vorteil der praktisch beliebigen Wiederholbarkeit.

Sie eignen sich somit hervorragend zur Verlaufsbeobachtung und zum Screening.

Wann zum Spezialisten ?
  • Bei nicht eindeutiger Diagnose.
  • Zur näheren Verifizierung der Gefäßverschlüsse.
  • Nach gefäßrekonstruktiven Eingriffen (Bypass-Operationen, PTA).
Therapie
Behandlungsziel:
  • Stadium I
Ziel ist die Verringerung der Arterioskleroseprogredienz und damit die Verhütung von Stenosen und Gefäßverschlüssen.
  • Stadium II(kompliziertes Stad. II durch exogene Faktoren: Verletzung durch Nagelpflege, Druckstellen).
Es wird die Verbesserung der schmerzfreien und absoluten Gehstrecke angestrebt.
  • Stadium III und IV
Es wird der Schmerzverlust, die Abheilung von Nekrosen / Gangrän sowie die Verhinderung einer Amputation angestrebt.
Grundsätze der Behandlung:
  • Stadium I
In diesem Stadium steht die Behandlung der Risikofaktoren bzw., die Ausschaltung der Noxen im Vordergrund. Eine gezielte Behandlung mit vasoaktiven Substanzen oder Substanzen, die Einfluß auf die Blutgerinnung haben kann nicht empfohlen werden. Es gibt keine gesicherten Hinweise auf deren Nutzen (Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, August 1997).
  • Stadium II(kompliziertes Stad. II durch exogene Faktoren: Verletzung durch Nagelpflege, Druckstellen).
Die Entscheidung, ob neben der Behandlung der Risikofaktoreneiner Arteriosklerose eine spezielle angiologische Therapie notwendig und sinnvoll ist hängt, unabhängig von der absoluten Gehleistung, davon ab, in welchem Umfange Claudicatio-Beschwerden individuell zu einer beruflichen und/oder privaten Behinderung führen. Und damit die Lebensqualität der Patienten deutlich einschränken. Das ist i.d.R. bei schmerzfreien Gehstrecken von weniger als 200-300 m der Fall.
Behandlungsmöglichkeiten:
  • konservativ:
(neben der Beseitigung der Noxen u. der Behandlung der nicht selbstverschuldeten RF) aktives Gehtraining, vasoaktiveInfusionsbehandlung (Hämodilution; Prostaglandin ab Stad. III n. Fontaine), oral medikamentös (cave!).
  • invasiv:
radiologisch interventionell (PTA; Katheter-Lyse)
  • operativ:
Bypass-Implantation, TEA u. Patch-Plastik
Maßgabe bei medikamentöser Therapie:
Im Fontaine-Stad. II können vasoaktive Substanzen alternativ oder unterstützend eingesetzt werden, wenn deren klinische Wirksamkeit in placebokontrollierten Studien nachgewiesen ist. Das gilt für Pentoxifyllin, Naftidrofyril und Bufomedil.Tagesdosen:Penthoxifyllin: 1.200 mg oral (600-1200 mg i.v)Buflomedil: 600 mg oral

Naftidrofuril: 600 mg oral

Im Fontaine-Stad. III kann Alprostadil (PGE1) i.v. oder i.a. eingesetzt werden.

Vasoaktive Substanzen können aber auf gar keinen Fall als Basistherapie der pAVK angesehen werden und müssen gezielt eingesetzt werden. Sie sind nur dann sinnvoll, wenn eine pAVK gesichert ist, ein Gehtraining nicht durchgeführt wird oder nicht durchgeführt werden kann, andere Therapieprinzipien nicht in Frage kommen, Femoral- und Unterschenkelarterienverschlüsse bestehen, die systolischen Knöchel-Arteriendrucke über 60 mmHg liegen, kein Beckenarterienverschluß und keine Myokardinsuffizienz vorliegen und die schmerzfreie bzw. absolute Gehstrecke so eingeschränkt ist, daß sie die Lebensqualität der Patienten erheblich reduziert. (Arzneimitelkommission der deutschen Ärzte).

Sonderform der medikamentösen Behandlung bei pAVK:

Nach erfolgter PTA: – Gabe eines Thrombocytenaggregationshemmers.

(ASS 1×100 mg/die; alternativ Ticlopidin 2×250 mg/die)

Kontroll-Untersuchungen:
HausarztSpezialist
  • Stadium I
½ jährlich durch HA1x jährlich durch Spezialisten
  • Stadium IIa
¼ jährlich durch HA½ jährlich durch Spezialisten
  • Stadium IIb und III
¼ jährlich durch Spezialisten
  • Stadium IV
u.U. tägliche Kontrolle des Lokalbefundes
  • Direkt nach PTA:
¼ jährlich durch Spezialisten
  • Später nach PTA:
¼ jährlich durch HA½ jährlich durch Spezialisten

Regelmäßige Kontrollen sind begleitend zur Behandlung angezeigt

Notfall:

Angiologischer Notfall: Ischämie-Syndrom => sofortige stationäre Einweisung